Klaus Ager
50 Jahre elektronische Musik in Salzburg

Die Anfänge: 1958 – 1963

Die Geschichte des Studios elektronischer Musik beginnt in Salzburg im Herbst 1958, als der damalige Präsident der Akademie Eberhard Preußner Räume im Walserfeld für das Schauspielseminar anmietete und neben dem Schauspielseminar mit der Hilfe des Elektronikkonzerns Philips auch ein Studio für elektronische Musik einrichtete. Leiter des Studios wurde ab 1.10.1958 Irmfried Radauer, der mit seiner Schauspielmusik für „Hiob“ bei den Salzburger Festspielen 1958 wohl das erste elektronische österreichische Werk in den Studios des Radio Salzburg realisiert hatte. Die nächsten Jahre waren eine sehr produktive Zeit des Salzburger Studios, Komponisten wie Horvath, Losonczy, Slothower und natürlich Radauer arbeiteten intensiv in einem Studio, das für die damalige Zeit nicht schlecht ausgestattet war. Durch den Weggang Radauers 1963 einerseits und den Tod des Präsidenten Preußner andererseits klangen die Aktivitäten rapid ab. Die Geräte des Studios wurden in erster Linie zur Produktion verschiedenster Schauspielmusiken verwendet. Elektronische Musik oder gar Forschung passierte nicht.
Durch die personelle Nichtbesetzung des Studios sind leider auch die meisten Werke, die damals entstanden waren, nicht mehr auffindbar.

Der Wiederbeginn: 1971 – 1978

Erst durch die Umwandlung der Akademie Mozarteum in eine Hochschule für Musik und darstellende Kunst wurden neue organisatorische Strukturen möglich, die 1971 zur Gründung des „Instituts für musikalische Grundlagenforschung“ führten, das in den Statuten bereits die Wiedereinrichtung des Studios für Elektronische Musik vorsah. Als ich 1973 nach meinen Studien am GRM und dem Pariser Konservatorium als Assistent an das Institut kam, wurde ich mit der Wiedererrichtung des Studios und der Leitung desselben betraut.
Die Sichtung der noch existierenden Geräte und Werke war enttäuschend. Die Geräte (Mono Tonbandmaschinen und Sinustongeneratoren) wurden aus dem Walserfeld in das Haupthaus des Mozarteums an der Schwarzstraße überführt und von mir als Arbeits- und Übungsstudio für Studierende eingerichtet. Weiters erarbeitete ich Pläne zum Aufbau eines modernen Studios. Ein Archiv oder ähnliches existierte nicht. Eine Unzahl von Tonbändern fand sich in diversen Schachteln, alle nicht beschriftet und keinen Werken zuzuordnen. Anfragen bei den Komponisten Horvath, Radauer und Losonczy brachten keine Ergebnisse, das Anhören bestätigte den Verdacht, dass die Bänder von den diversen Schauspielklassen überspielt worden und die Originalklänge nicht mehr erhalten waren.
Ich begann mit dem Aufbau eines Archivs und 1974 mit einer Lehrveranstaltung für Studierende, die als Freifach allen offenstand aber natürlich in erster Linie für die Kompositionsstudenten vorgesehen war. Es entwickelte sich wieder ein schönes Zentrum für elektroakustische Musik, das sich bezüglich der technischen Ausstattung sowie auch musikalisch stark an den Ideen Pierre Schaeffers und des GRM unter der damaligen Leitung von François Bayle orientierte. Aus der Mitte der Studierenden kamen interessante Ideen, die sich häufig realisieren ließen: es fanden Konzerte und Vorträge mit elektroakustischer Musik in Galerien anderen Sälen und Schulen statt, Zusammenarbeit mit Tanzinstitutionen, einzelnen Tänzern wurden angestrebt und auch verwirklicht; Letztlich war auch die erste Ausgabe unseres ASPEKTE Festivals – das bis heute existiert – auf eine Einladung des Studios an François Bayle zurückgegangen. Auch nationale und internationale Kooperationen wurden gesucht und gefunden. Konzerte mit Salzburger elektronischer Musik fanden bei IGNM Musikfestivals, aber auch anderen Festivals statt. Die wichtigsten Komponisten dieser Jahre waren Werner Raditschnig, Dieter Lehnhof, Martin Schwarzenlander und Klaus Ager. Durch eine enge Zusammenarbeit mit dem ASPEKTE Festival ergaben sich viele Möglichkeiten der Präsentation elektroakustischer Musik sowohl als Präsentationen lokaler Produktion aber es wurden auch immer wieder internationale Studios eingeladen, Werke ihrer Komponisten zu präsentieren. So waren in dieser Zeit Komponisten wie Bernard Parmegiani, Luc Ferrari, Iannis Xenakis, aber auch Dieter Kaufmann, François Bayle, Mauricio Kagel und viele andere zu Gast in Salzburg.
Mitte der Siebziger Jahre war aber immer deutlicher absehbar, dass die Zukunft der elektronischen Musik in der Einbeziehung des Computers in Steuerung analoger Geräte oder direkter digitaler Klangerzeugung liegen würde. In Zusammenarbeit mit dem Institut für Psychologie an der Universität Salzburg entwickelten der Assistent des Instituts Dr. Roland Krysl und ich eine eigene Version von Max Mathews „MUSIC IV“ für den PDP 11 Computer des Instituts, die dann die Basis für mein Werk „Metaboles III“ wurde, das beim Musikprotokoll des Steirischen Herbstes als erstes österreichisches Computermusikstück uraufgeführt wurde und das ausschließlich aus digitalen Klängen erzeugt worden war. Allerdings wurde uns bald klar, dass MUSIC IV nicht der Weisheit letzter Schluss sein konnte, da es langsam und in der Berechnung der Klänge und umständlich in der Eingabe war, und ich entwickelte deshalb einen Entwicklungsplan, der ein hybrides analog- digitales Studio vorsah, das aber hauptsächlich auf Grund finanzieller Schwierigkeiten aber auch meiner eigenen dienstrechtlichen Karriere nur mehr rudimentär verfolgt wurde.

Die Klangmobile nach einer Idee Otto Becks

In Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Ensemble für Neue Musik und seinem damaligen Leiter Herbert Grassl und Klaus Ager verwirklichte Otto Beck seine Idee der „Klangmobile“: Fahrrädern, auf denen große Lautsprecher montiert waren und die speziell der mobilen Präsentation elektroakustischer Musik gewidmet waren. Spektakuläre Auftritte gab es bei der Ankunft John Cages anlässlich des ASPEKTE Festivals 1991 am Flughafen in Salzburg oder auch dem IGNM Musikfestival 1997 in Seoul (Korea).

Rückkehr Irmfried Radauers (1979 – 1996)

Als 1979(?) Irmfried Radauer mit einem Lehrauftrag für Computermusik an das Mozarteum zurückkehrte schlug er einen neuen Weg ein, der schließlich in Zusammenarbeit mit der Universität Salzburg zur Gründung eines Computermusikstudios am Institut für Mathematik führte. Stephen Travis Pope – noch einer meiner Studenten – entwickelte eine UNIX Version von MUSIC V, die an sich sehr progressiv und leistungsstark war, aber international einerseits durch das Aufkommen der Real-time Klangerzeuger (wie z.Bsp. der DMX 1000 Signal-Processing Computer ) und andererseits durch die Miniaturisierung der Computer (PC, Apple, NeXT) schnell überholt war. In mehr oder weniger enger Zusammenarbeit mit S. Pope und I. Radauer realisierten in erster Linie die Komponisten J.M. Horvath, Herbert Grassl, S. Pope, Klaus Ager und natürlich auch Irmfried Radauer Werke an diesem Studio.

André Ruschkowski (1996 – 2006)

Nach der Emeritierung Radauers (1995) übernahm André Ruschkowski sowohl das noch rudimentär existierende Analog-Studio als auch das Computerstudio Radauers und baute auf der Basis von IRCAM-Software ein modernes Studio für Computermusik auf. Besonders im Bereich der pädagogischen Arbeit ragte Andre Ruschkowski heraus. Seine Schwerpunkte lagen ganz besonders auch auf der Verbindung zwischen den Künsten. Die Zusammenarbeit mit dem ASPEKTE Festival wurde wieder aufgenommen, was zu einer Reihe von Konzerten und auch internationalen Kooperationen führte. Auf diese Weise wurde viele Werke Ruschkowskis und seiner Schüler nicht nur in Salzburg sondern bei verschiedenen Festivals (Bourges, Lüneburg oder auch den internationalen Computermusikkonferenzen etc.) präsentiert (Homepage 1996 bis 2006).

Achim Bornhoeft (2006 – heute)

Nach dem Weggang von André Ruschkowski an das Savannah College of Art and Design in Georgia (USA) wurde Achim Bornhoeft im Sommersemester 2006 Leiter des Studios für Elektronische Musik. Seine erste Aufgabe bestand darin, den Umzug vom ”Zentrum im Berg” in die grundsanierten Räumlichkeiten am Mirabellplatz zu organisieren und durchzuführen. Aus Gründen der individuellen Verfügbarkeit und dem damit verbundenen effizienteren Einsatz in der Ausbildung wurde die, für den Lehrbetrieb verwendete Software weitestgehend auf Open Source Produkte umgestellt. Einige der interessanten analogen Instrumente wie der Arp 2600, das Polymoog Keyboard oder der EMS Synthi AKS 80 wurden wieder instandgesetzt, um den Studenten die Möglichkeit zu geben, auch weiterhin die spannenden klanglichen Experimente vergangener Epochen nachvollziehen zu können. Neben den nun regelmäßig stattfindenden Konzerten innerhalb der Hochschule konnte sich das Studio auch im Ausland präsentieren, so auf dem On/Off Festival Elektroakustischer Musik 2008 in Limburg als auch 2009 beim Internationalen Treffen der elektronischen Hochschulstudios ”Next Generation 3.0” am ZKM in Karlsruhe.

 

 

Jürgen Neuhofer, ehemaliger Student in Komposition am Mozarteum schreibt zur Zeit eine wissenschaftliche Arbeit über die bisher nicht dokumentierte Geschichte des Studios für Elektronische Musik am Mozarteum. Die Arbeit wird 2017 abgeschlossen werden.